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Startups Berlin = Startup Ecosystem

Berlin Startups

Startups Berlin

Startups Berlin: Die Digitalisierung menschlichen Lebens ist unaufhaltsam. Sie etabliert neue Verhaltens- und Denkmuster. Die einzige Konstante im digitalen Zeitalter ist Wandel.

David Carr, Autor von ‘Big Switch’ (2013), ist überzeugt, dass wir uns inmitten einer epochalen, technologischen Transformation befinden, die starke Parallelen mit der “Demokratisierung der Elektrizität” vor einem Jahrhundert aufweist.

Ähnlich der Veränderung der Stromerzeugung – von privater Erzeugung zu flächendeckender Bereitstellung von Elektrizität in einem Netz – werden Computerdienste und -rechenleistungen in einem zentralen Netz – dem Internet – Menschen gleichzeitig zur Verfügung gestellt. Weder das Internet, noch die in der “Wolke” bereitgestellten Produkte und Dienstleistungen werden ein Modetrend sein. Google Documents, Dropbox, Wunderlist und Evernote sind erste Beispiele.

Dieser Trend wird sich in den nächsten Jahren beschleunigen und alle Bereiche unseres Lebens beeinflussen.

David Kelly geht in seinem Buch ‘What Technology Wants’ (2012) einen Schritt weiter. Seine These lautet, dass Technologie der nächste evolutionäre Schritt auf dem Planeten Erde ist. Kurzum: auf den Menschen folgt die Maschine.

80/20 Startups Berlin | tl;tr

Startups Berlin | Fazit | tl;tr

Die Bedeutung technologischer Transformation für Entrepreneurship Ökosystems

Ohne eine Betrachtung heutiger Technologietrends und deren Bedeutung für unsere Gesellschaft und Volkswirtschaft ist eine Beschreibung eines technologiebasierten ‘Entrepreneurship Ökosystems’ (im folgenden Startup Hub genannt) nicht zielführend.

Vier Gründe für die Entstehung des heutigen Gründerzeitgeistes werden daher angeführt, die wiederum zur Entstehung von ‘Startup Hubs’ führen.

  1. Das Internet und die dadurch mögliche Etablierung von ‘Cloud Computing’ verbindet nicht nur Computer mit dem Netz (Web 1.0) oder Menschen (Web 2.0), sondern wird zunehmend alles mit dem Internet verbinden (Web 3.0 – ‘Internet of Things’).

  2. Durch die Verbesserung der Breitband-Technologie sind mehr Menschen, schneller und günstiger mit dem Internet verbunden.

  3. Neue Produktkategorien – Smartphone & Tablet – ermöglichen Menschen sich nicht nur zu Hause oder im Büro, sondern auch unterwegs mit dem Internet, auf neuartigen Wegen (Touchscreen, Sprachbefehle) zu verbinden.

  4. Die Zahl der Internetnutzer steigt stündlich. Jeder 3. Mensch ist bereits “online’. Um 50 Millionen Menschen zu erreichen, benötigte das Telefon 75 Jahre, das Radio 38 Jahre, das Fernsehen 13 Jahre, das Internet nur noch 4 Jahre und die beliebtesten ‘Apps’ heutzutage wenige Wochen (PWC Studie – Social Media in Deutschland, 2012). Menschen unterschiedlichen Alters werden einfacher und schneller erreicht. Im Durchschnitt verbringen Menschen 26% Ihrer Freizeit im Internet und 12% auf mobilen Endgeräten. Dem Fernsehen (noch 42%) und Radio werden dadurch zunehmend Anteile abgenommen.

Tech-Entrepreneure auf der ganzen Welt nutzen diese Reichweitenvorteile des Internets gegenüber traditionellen Kanälen, um ihre Produkte und Dienstleistungen weltweit anzubieten. Auf Basis dieser neuen Möglichkeiten ist Schumpeters Akt der ‘kreativen Zerstörung’ (1911) im vollen Gange, indem alte Strukturen durch Neue ersetzt werden.

Der Economist (2014) beschreibt diesen Trend als kambrische Explosion von digitalen Startups, die in einer erstaunlichen Vielfalt von Dienstleistungen und Produkten entstehen und jeden Winkel der Wirtschaft durchdringen und verändern. Einige sprechen gar von der “Neuerfindung des Kapitalismus” (Porter, & Kramer, 2011).

Startups Berlin: Für Millennials (Generation Y) sind traditionelle Karrierepfade unattraktiv

Neben der einfacheren Erreichung eines Millionenpublikums auf verschiedenen Plattformen spielt ein anderer Trend eine wesentliche Rolle im Aufleben des Phänomen ‘Tech Startup’.

Normalerweise, werden die meisten Gründungsaktivitäten bei Personen im Alter von 50+ festgestellt (GEM – Unternehmensgründung im weltweiten Vergleich, 2011). Wirtschaftliche und soziale Verschiebungen geben jedoch Millennialsden Impuls, sich mit dem Thema Unternehmensgründung viel stärker und früher als jede Generation vor ihnen  auseinanderzusetzen.

Durch die seit 2008 anhaltende Weltwirtschaftskrise geben Millennials häufig Bestrebungen und Wünsche nach einen herkömmlichen Job auf. Zudem wird sich der Arbeitsmarkt von einem Nachfrage- zu einem Angebotsmarkt entwickeln, da viele Babyboomer den Arbeitsmarkt verlassen werden. Auf der einen Seite nimmt der Druck nach einer geradlinigen Karriere für Millennials daher ab und auf der anderen Seite die Versuchung als auch der Mut zur Unternehmensgründung zu. Laut einer aktuellen Befragung von 12.000 Menschen zwischen 18 und 30 Jahren in 27 Ländern (Kauffman Foundation, 2013), sehen mehr als zwei Drittel eine gute Chance, Unternehmer zu werden.

Der Mut von Millenials zur Gründung signalisiert einen kulturellen Wandel.

Unsere Gesellschaft erlebt einen Gründerzeitgeist 2.0

Vorliegende Beobachtungen beruhen auf meinen Erfahrungen als Autor des ‘Startup Ecosystem Report 2012’ und ehemaliger Gründer von Spotistic und StartupGeist. Ziel dieses Beitrages ist eine subjektive Bestandsaufnahme heutiger Trends der digitalen Wirtschaft zu schildern und eine Beantwortung folgender Fragestellungen vorzunehmen:

  1. Warum unternehmerisches Handeln als ‘Mindset’ und die Förderung und Konzentration dessen, in einem ‘Startup Hub’ noch viel wichtiger wird, als es heute schon ist?

  2. Warum eine 20 Jahres-Perspektive zur Förderung eines selbst erhaltenden Startup Hubs notwendig ist?”

Wir wissen heute viel mehr über Tech-Startups, deren Evolution und Bedeutung als Innovationsermöglicher, als jemals zuvor (Startup Genome Report, 2011). 

Zum einen, dass Startups keine kleinere Version von großen Unternehmen sind, sondern als vorübergehende Organisationsform auf der Suche nach einem skalierbaren und nachhaltigen Geschäftsmodell verstanden werden (Steve Blank, 2013).

Die Kosten und somit die Hürden zur Gründung eines Software-Startups sind enorm gesunken. Plattformen wie Amazon Cloud-Computing hosten die Applikationen für weniger als ein Zehntel der ursprünglichen Kosten.

Durch Apples App oder Googles Play Store und deren mobile Plattformen – iOS respektive Android – können Entwickler ein Milliardenpublikum schnell und effektiv erreichen und via Facebook und Twitter ihre Dienstleistungen vermarkten.

All das wird durch die Mutter aller Plattformen – das Internet – ermöglicht .

Das Wissen über den Aufbau von Unternehmen und die Entwicklung von Produkten wird stärker demokratisiert und steht jedem Wissbegierigen weltweit gleichermaßen zur Verfügung. Das allein steigert die Anzahl an Startups enorm.

Innovation ist seit jeher kein geradliniger Prozess. Er wird jedoch heutzutage immer besser verstanden. Es werden traditionelle Innovationsprozesse (bspw. Wasserfall-Methodik zur Produktentwicklung) durch Neue erweitert und zum Teil völlig ersetzt – Lean Startup (Eric Ries, 2011) oder Customer Development (Steve Blank, 2012). Schnelles Lernen am Markt und falls notwendig Produktiterationen (‘Pivot’) sind Hebel der heutigen Produktentwicklung. Diese Innovationsprozesse und moderne Werkzeuge zur Geschäftsmodellentwicklung – Business Model Canvas (Alexander Osterwalder, 2011) – helfen Unternehmern, ihre Idee schnellstmöglich am Markt zu validieren, daraufhin erste Prototypen zu erstellen und letztlich zahlende Kunden zu gewinnen.

Basierend auf den skizzierten Technologietrends und deren Auswirkungen geht der
Autor davon aus, dass mehr junge, gute ausgebildete Menschen sich der Verlockung – Startup – hingeben und auf diesen Karrierepfad einschwenken. Denn im Kern fußen ‘Startup Hubs’ auf Talenten, Infrastruktur und Kultur.

Dort wo diese drei Komponenten im Einklang stehen, werden sich Jungunternehmer und deren Startups ansiedeln, in Gemeinschaften Wissen teilen, sich gegenseitig antreiben, inspirieren und weiterhelfen. Anhand des Beispiels des Berliner Startup Hubs soll sich der Frage genähert werden, wie und wann ein solches System einen selbst-erhaltenden Zustand erreicht.

Startups Berlin = vorherrschender Startup Hub in Deutschland

Die ökonomische Bedeutung von Tech Startups ist erheblich. Eine Studie der Kauffman Foundation (2011) hat ergeben, dass nahezu alle neuen Arbeitsplätze in den USA zwischen 2000 und 2010 von schnell wachsenden Startups geschaffen wurden.

Trotz ihrer immensen Bedeutung als Jobwachstumstreiber ist die Erfolgswahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Umsetzung von Startups sehr gering. Laut einer weitläufig akzeptierten Regel, scheitern 9 von 10 von ihnen. Zudem tendiert die ohnehin sehr niedrige Erfolgswahrscheinlichkeit von Startups außerhalb der etablierten Hubs gegen Null. Im Resultat sind fast alle erfolgreichen Gründungen (bspw. Apple, Oracle, Yahoo, Google, Salesforce Facebook) in der Vergangenheit in nicht mehr als 3 Hubs (Silicon Valley, Boston, Tel Aviv) entstanden.

Dieser Trend scheint sich nun zu enden. Gleichzeitig mit der weltweiten Explosion an Startups beginnt auch ein Aufstieg neuer Tech Hubs. In den USA haben sich New York, Chicago, Atlanta, Seattle und global Toronto, London oder Berlin in den letzten Jahren etabliert (Startup Ecosystem Report, 2012 & 2015).

Startups Berlin: Ursprung

In Deutschland hat sich seit der Wiedervereinigung 1990 Berlin als wichtigster Startup Hub heraus entwickelt. Dabei ist der Aufstieg Berlins zu einem führenden Hub eng mit seiner Historie verbunden. Berlin hat es geschafft, sich als blühendes, kulturelles Zentrum neu zu erfinden – nicht nur für Politiker, Künstler oder Musiker, sondern insbesondere auch für junge, wagemutige Unternehmer.

Berlin’s Entwicklung kennzeichnet eine Bewegung von unten — eine ‘Grassroot-Bewegung’ — die stark mit der kreativen Szene verbunden ist. Die ehemalige Devise von Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit “arm, aber sexy” scheint heute nicht mehr ganz zuzutreffen, zeigt aber dennoch das Berlins Haushaltskassen historisch klamm sind. Nichtsdestotrotz siedelten sich Unternehmer aus anderen Bundesländern, EU-Ausland, Amerika oder Kanada ohne staatlicher Förderung an. Die geographische Vielfalt an zugezogenen Unternehmern ist gross. Aus Skandinavien, Benelux, Frankreich, Spanien, Italien zog und zieht es Pioniere nach Berlin.

Mehrere Punkte führten zur starken Entwicklung Berlins als regional führendemZentrum für Tech Startups in den letzten 20 Jahren.

  1. Berlins Re-Etablierung als Wahlheimat für Politiker. Nach der Wiedervereinigung zogen die meisten Ministerien samt der Mitarbeiter nach Berlin. Das erhöhte die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Berlins.

  2. Berlin ist mit seinen geringen Lebenshaltungskosten ein vergleichsweise günstiger Ort zum Leben. Die meisten Studenten können sich eine Wohnung oder Wohngemeinschaft im Herzen oder den beliebtesten ‘Kiezen’ von Berlin leisten.

  3. Dank der geringen Lebenskosten, ist Berlin seit je her Wahlheimat vieler Künstler und Musiker und vieler, die es werden wollen. Insbesondere, in den letzten 20 Jahren fand eine starke, kreative Bewegung statt. Durch seine offene, alternative, rebellische Art erlaubte Berlin Künstler, sich zu finden und erfolgreiche Projekte anzustossen. Genauso wie Kunst, ist Unternehmertum Teil der menschlichen DNA. Denn es ist eine weitere Möglichkeit, persönliche Kreativität auszudrücken und anderen Mitmenschen näher zu bringen. In Berlin ist daher eine starke Verbindung zwischen der Kreativwirtschaft und dem Unternehmertum zu finden. Beides inspiriert und bestärkt sich in ihrer Denk- und Herangehensweise — dem Mut des Umsetzens.

  4. Berlins ehemaliger Status als geteilte Stadt hat viele Graubereiche und Untergrundbewegungen hervorgerufen. Ähnlich der Hippie-Bewegung in Kalifornien in den 68-ern, helfen Bewegungen des ‘Anders sein’, sich gegen Konventionen zu stemmen, und so Unternehmen trotz schlechter Erfolgsaussichten anzustoßen.

  5. Berlin hat keinen starken, industriellen Kern. Schering (heute Bayer) ist das letzte DAX-Unternehmen, welches aus Berlin stammt und seinen Hauptsitz dort hatte. Aufgrund des Fehlens eines starken, industriellen Kerns, ergab sich in Berlin die historisch einmalige Gelegenheit zum Aufbau und der Etablierung einer gänzlich neuen Industrie basierend auf Software und Internet. Im Ergebnis fühlt sich Berlin wie ein Startup an – hektisch, unbeständig, ungewiss.

1. Generation: Dotcom-Krise

Der Aufschwung Berlins ist stark mit der Dotcom-Krise von 2000 verbunden. Vor dem Jahrtausend fand ein globaler Boom an Geschäftstätigkeiten im Internet statt. Die Devise war bestehende, erfolgreiche Produkte und Dienstleistungen über das Internet zu vertreiben. Das Internet diente als zusätzlicher Distributionskanal. Erste eCommerce-Plattformen (Amazon & eBay), Informationsportale (Yahoo!) oder Email Klienten entstanden. Diese erfolgsversprechenden Web 1.0 Geschäftsmodelle —vorrangig aus den USA — wurden in Deutschland kopiert und auf dem Deutschen Markt angeboten.

Die ersten Erfolgsbeispiele der ersten Generation inspirierten mehr Unternehmer, traditionelle Geschäftsmodelle zu digitalisieren, um die inhärenten Skalen- & Distributionseffekte des Internets auszunutzen (s. Einleitung – Technologietrends). Ähnlich dem Effekt den man beim Gewinn der Fußball-Weltmeisterschaft 1990 beobachten konnte, welcher junge fussballbegeisterte Kicker hervorbrachte (Schweinsteiger, Lahm,  Podolski etc), schaffen es unternehmerische Erfolgsbeispiele, eine Generation zu begeistern und geben ihnen Mut und Begeisterung, ihnen zu folgen.

Zusammenfassend entstehen in der ersten Generation in einem Startup Hub erste Erfolgsbeispiele, die mitunter erfolgreiche Best Practices adoptieren und weitergeben. Beispiele in Berlin können sein: Rocket Internet, Gate5. Die meisten Gründer starten zum ersten Mal. Die Erfolgsquote ist aufgrund des Mangels an Erfahrungen, Kapital und Mentoren sehr gering. In dieser Phase mag sich Berlin von 1998 bis 2008 befunden haben.

2. Generation: Seit 2008

In der zweiten Generation (bspw. Gate5 Verkauf an Nokia) werden aus erfolgreichen Unternehmern erfolgreiche Frühphaseninvestoren sogenannte Business Angel, wie Christophe Maire oder mehrmalige Unternehmer, die neue Ideen starten und wieder erfolgreich verkaufen, bspw. Holger G. Weiss (ehemals Gate5, sp
äter AUPEO! Verkauf an Samsung).

In dieser Phase sind in Berlin einige erfolgreiche Startups im B2C- und B2B-Bereich entstanden, die sich nicht nur auf dem deutschsprachigen Markt als reine Kopie eines amerikanischen Startups definieren, sondern als innovative Lösungen sich einem globalen Publikum offenbaren.

Als völlig unvollständige aber beispielhafte Liste können folgende Startups der 2. Generation in Berlin gelten:

 Tabelle 1: Beispielhafte Liste an Startups der 2. Generation in Berlin (Zahlen von Crunchbase.com) Tabelle 1: Beispielhafte Liste an Startups der 2. Generation in Berlin (Zahlen von Crunchbase.com)


Während die 1. Generation sich völlig ohne Hilfe im Internetdschungel behaupten musste, wurde die 2. Generation durch universitäre Inkubatoren (bspw. Hassno Plattner Institut) und Accelertor unterstützt
, die teilweise in Berlin ihre Präsenz erweiterten oder aufbauten. In Berlin siedelten sich in den letzten Jahren folgende Accelerator Programme an: Startupbootcamp, Berlin Startup Academy, Axel Springer oder Microsoft.

Es entstanden zudem erste Dienstleister, die sich auf Startups als Zielgruppe konzentrierten — bspw. i-Potentials als Recruitingagentur oder Startup Company-Builder – Project A oder MAS – Make a Startup. Insgesamt hat sich eine umfassende Infrastruktur für Startups an Rechtsanwälten, Buchhaltern, Bankiers oder Wagniskapitalgebern etabliert. Der Hype führt auch dazu, dass der Zuwachs an Fachpersonal für Startups einfacher wird.

Die 3. Generation wird somit ein völlig etabliertes Ökosystem vorfinden. Es werden weitere erfolgreiche Unternehmen entstehen. Die spannende Frage ist, wie nachhaltig die Entwicklung und Etablierung der ersten Generationen in Berlin ist.

Böse Zungen behaupten, dass Berlins Startups Party vorbei ist und als Beispiel für Rückzüge, Notverkäufe und Pleiten gilt. “Nach Jahren des Booms macht sich Realismus in Deutschlands Internet-Hochburg an der Spree breit. Ohne zusätzliches Risikokapital bleibt der Abstand zum Silicon Valley exorbitant” schreibt Michael Kroker in der Wirtschaftswoche und erntete daraufhin beissende Kritik von Wagniskapitalgebern aus Berlin (Olaf Jacobi, Ciarán O’Leary, Christoph Janzi etc).

Kein Ökosystem ist perfekt — auch nicht das des Silicon Valley.

Ein einfacher Vergleich Berlins entlang der Dimension des verfügbaren Wagniskapitals erscheint falsch. Ein Überfluss an Kapital führt zu teuren Talenten. Im Silicon Valley herrscht daher ein enormer Mangel an IT-Fachkräften, welches die operativen Kosten von Startups vor Ort enorm erhöht.

Jeder Startup Hub muss daher seine eigene Identität finden und Vorteile etablieren. Im Folgenden soll daher eine kurze Bestandsaufnahme helfen, Berlins Status als Internet Hochburg besser zu verstehen, um daraus die Notwendigkeit einer 20-Jahres Perspektive abzuleiten.

You can’t fast forward because we are talking about experience which can’t be manufactured. You simply have to put in the time.” schreibt Fred Wilson, amerikanischer Wagniskapitalgeber auf seinen Blog über die Entstehung von Startup Hubs.

Startups Berlin 2014: Bestandsaufnahme

Obwohl in starker Konkurrenz zu London und Tel Aviv im Kampf um Talente und Kapital, wird Berlin aufgrund seiner dynamischen Art, nicht nur als Brutkasten für Innovationen, sondern teilweise auch als das Europäisches Silicon Valley bezeichnet.

Berlin ist ein Magnet für Unternehmer – bspw. der Schwede Alexander Ljung (Mitgründer Soundcloud) – und wird zur Wahlheimat von Investoren (EarlyBird etc). Zudem siedeln sich US-Startups (AirBnB, General Assembly) in der Stadt an, um Zugang zu Talenten und der Gemeinschaft zu erhalten. Sie bauen von hier aus ihre Europageschäfte auf. Matthew Brimer, Mitbegründer von General Assembly, stellt fest, dass “Berlin ist ein aufstrebender Hub. Es sind starke Parallelen zwischen dem New York vor ein paar Jahren und dem heutigen Berlin zu erkennen”.

Anhand von 5 Kriterien — Markt, Kapital, Talente, Kultur, Infrastruktur — soll eine Bestandsaufnahme Berlins als emporkommender Startup Hub vorgenommen werden, um die Notwendigkeit einer 20 Jahres-Perspektive beim Aufbau eines `selbst-erhaltenden` Startup Hubs abzuleiten.

#Markt

Als Hauptstadt der größten Volkswirtschaft in Europa bietet Berlin enorme Marktchancen. Ein technologieaffines, junges Publikum arbeitet in Berlin in der Musik- oder Marketingagenturbranche. Diese Millenials sind offen für neue Technologien.

Der Fokus auf den deutschsprachigen Raum erscheint jedoch nicht erfolgsversprechend, sodass die meisten Startups sich als ‘born global’ definieren, d.h. das es keine Begrenzung auf einen einzigen Zielmarkt gibt.

Als nachteilig erweist sich das Fehlen großer Tech-Unternehmen. In den letzten Jahren siedelten sich zwar Google, Microsoft an und andere, wie SAP, verstärkten ihre Präsenz. Jedoch sollte das nur als Anfang verstanden werden und weitere etablierte Tech-Unternehmen nach Berlin ziehen.

#Kapital

Berlin macht aus seiner Notwendigkeit eine Tugend. Aufgrund der sehr niedrigen Lebenshaltungskosten ist das Fehlen von Kapital in den ersten Monaten der Unternehmensgründung unerheblich.

Viele Startups schließen sich in Bürogemeinschaften zusammen oder arbeiten gemeinsam in Co-Working Spaces (bspw. St. Oberholz, Betahaus), was wiederum zu verstärkenden Effekten des Teilens von Wissen und Best Practices im Hub führt. Business Angels, Accelerator-Programme und staatliche Programme (bspw. EXIST, Pro FIT Frühphasenförderung) helfen Startups mit Finanzspritzen und Zugang zum Netzwerk in der Anfangsphase.

In der Wachstumsphase fehlt es Startups jedoch erheblich an Kapital — trotz einiger erster positiver Beispiele, welche vorrangig auf Wagniskapital aus den USA zurückgriffen. Wunderlist (2013) sammelte kolportierte 19 Millionen Euro und SocialBakers (2014) 26 Millionen Euro in ihren letzten Finanzierungsrunden von amerikanischen Wagnisinvestoren ein. Firmenverkäufe im Milliardenbereich gab es bisher genauso wenig wie erfolgreiche Börsengänge.

Das Fehlen eines ‘neuen Marktes 2.0’ und etablierter Tech-Unternehmen, die innovative Lösungen als Ergänzung zum bestehenden Produktportfolio übernehmen (Stichwort: M&A), macht es für Wagniskapitalgeber – anders als im Silicon Valley – so schwierig und unattraktiv, ihr eingesetztes Kapital nach ein paar Jahren zu vervielfachen.

#Talente

Berlin wirkt aufgrund seines Zeitgeistes (#günstig #Party #naiv) sehr attraktiv und zieht Talente von überall an. Die Anzahl an Talenten steigt täglich. Junge Menschen, die für Ihr Studium nach Berlin kommen, bleiben und schließen sich Emporkömmlingen an oder starten selber einen Versuch.

Aufgrund des hohen und guten Angebots an jungen Talenten ist das Gehaltsniveau im Vergleich zu anderen Hubs in Europa oder deutschen Großstädten unter dem Durchschnitt. Philipp Stelzer, Gründer von Task36 meint dazu: “Wir sind vom MIT aus Boston, wo etablierte Firmen und erfolgreiche Startups mit erheblichen Gehältern locken, nach Berlin aufgr
und des verfügbaren und günstigeren Talentpools zurückgekehrt.”

Im Berliner Hub gibt es mittlerweile mehr englischsprachige Veranstaltungen als deutschsprachige. Neben der Fülle an Talenten gibt es in Berlin auch eine hohe Anzahl an Mentoren — erfolgreiche Unternehmer, Professoren oder Dienstleistungsanbieter (Anwälte, Finanzbuchhalter, Banker etc). Mentoren — unternehmerische Vorbilder — helfen durch Ihre Erfahrungen stetig, wiederkehrende Fehler im Aufbau von Firmen zu vermeiden und tragen enorm zur Etablierung von digitalen Geschäftsmodellen bei.

#Kultur/Mindset

Der Vorteil Berlins als Magnet für Talente bringt eine Fülle an kulturellen Einflüssen mit sich. Die Abneigung und der mangelnde Mut gegenüber dem Gründen in Deutschland scheint für Millenials in Berlin nicht zu gelten. Die Risikobereitschaft scheint genauso wie die Akzeptanz des Scheiterns um ein vielfaches höher als anderswo in Deutschland.

Im internationalen Vergleich sind jedoch beide Dimension eher am unteren Ende der Skala und müssen noch enorm gesteigert werden. Die Dichte an Talenten und Mentoren und die örtliche Nähe zueinander ergibt einen tollen Mix, die Erfolgswahrscheinlichkeit von Startups in Berlin zu erhöhen.

Die unternehmerische Dichte gilt in Berlin Mitte als besonders hoch. Es ist die Anzahl an Unternehmern und Leuten, die für Startups arbeiten, geteilt durch die erwachsenden Bevölkerung

#Infrastruktur

Die lang diskutierte Bereitstellung eines kostenlosen Wifi-Breitbandes Netzes in Berlin soll Realität werden. Das würde der ohnehin gut ausgebauten IT-Infrastruktur einen enormen Schub geben. Der öffentliche Nahverkehr als auch die(‘immer noch’) 2 Flughäfen binden Berlin gut an.

Es fehlt jedoch an internationalen Direktverbindungen ins Silicon Valley. Wie bereits geschrieben, wächst die Anzahl an Talenten, die sich auch an unzähligen, täglichen Veranstaltungen beteiligen, stetig.

Durch Schaffung des Instruments der Unternehmergesellschaft (UG) wurde der Nachteil zur britischen Rechtsform ‘Limited’ reduziert. Es ermöglicht somit ein schnelleres Gründen. Einwanderungsbestimmungen innerhalb der Europäischen Union helfen Talente, sich schnell vor Ort einzugliedern. Die traditionellen Amtsstrukturen und Behördengänge verkomplizieren jedoch den Unternehmeralltag. Talente aus Überesse haben es sehr schwer, ein Aufenthaltsgenehmigung zu erhalten. Im Vergleich zu Einwanderungs-freundlicheren Ländern verliert Berlin als Startup Hub an Boden.

Konklusion: Bestandsaufnahme Startups Berlin 2014

Berlin als Deutschlands Internethochburg gewinnt weiter an großer Bedeutung. Unternehmenspleiten gehören beim Aufbau von innovativen Lösungen per Definition dazu. Als Resultat ist der Aufbau eines selbst-erhaltenden Ökosystems in vollem Gange.

Die 3. Generation an Gründern steht bereits in den Startlöchern und findet einen reichhaltig gedeckten Tisch vor. Sebastian Rumberg stellt fest: “Ich würde mir einen stärkeren Austausch zwischen den Gründern wünschen. In den vergangenen Jahren habe ich es viel zu oft erlebt, dass junge Gründer alle Probleme versucht haben allein zu lösen, anstatt sich Rat bei erfahrenen Unternehmern zu holen. Darüber hinaus versuchen viele ihre Idee am Anfang “zu beschützen”, anstatt sie durch Feedback so früh wie möglich zu überprüfen. Ansonsten glaube ich, dass die Berliner Startup­Szene wesentlich besser ist als ihr Ruf. Es gibt wahnsinnig viele erfolgreiche Unternehmen, die nicht in der Presse erwähnt werden, aber aus wirtschaftlicher Sicht zu den besten ihrer Zunft zählen.”

Die Kultur des aus dem Silicon Valley bekannten ‘Pay-it-Forward’ (‘Kultur des Weitergebens’) muss sich noch stärker in Berlin etablieren.

Es soll zum Abschluss der Frage nachgegangen werden, wie nachhaltig Berlins Entwicklung zu einem international anerkannten Startup Hub ist.

Ausblick: Notwendigkeit einer 20-Jahr Perspektive

Die Notwendigkeit einer 20-Jahres-Perspektive zur Etablierung eines Startup Hubs wurde anhand der Entwicklung Berlins deutlich. Ein Geflecht aus auf sich aufeinander aufbauenden Gründergeneration bildet den Kern eines jeden Ökosystems. Die ersten beiden Generation schaffen einen Hub (20 Jahre). Darauf aufbauende Generation nutzen existierende Prozesse, Strukturen, Vorbilder, Mentoren, Inkubatoren, Acceleratoren, Business Angel und Wagniskapitalgeber zum Starten und erfolgreichen Umsetzen ihrer Ideen.

Berlins Entwicklung zeigt zudem, dass sich selbst-erhaltende Startup Hubs dort entwickeln können, wo eine gute Infrastruktur, ein stetiger Zufluss an Talenten, das Vorhandensein an Mentoren und Vorbildern, sowie eine Kultur der Risikobereitschaft zusammentreffen.

Nichtsdestotrotz ist die Förderung eines solchen Systems nicht einfach über Nacht von einer neuen Wirtschaftsförderung anzustoßen. Es wird oft eine langfristige Herangehensweise von Unternehmern und Investoren gefordert. Brad Feld betont in seinem Buch über “Start Up Communities” beispielsweise das ‘Leader & Felder-Konzept’, welches besagt, dass Unternehmern aus verschiedenen Zyklen an Generationen einen Startup Hub kreieren, etablieren und nachhaltig sichern müssen (‘Leader’). Die Aufgabe lokaler oder nationaler Regierungen kann nur in der Unterstützung bereits bestehender Strukturen liegen (‘Feeder’). Jedoch sind auch nur jene Unternehmer relevant, die eine mindestens 20-Jahres-Perspektive mitbringen und erfolgreich verschiedene Abschnitte in der Entwicklung eines Hubs prägen (Talent > Serial Entrepreneur > Mentor > Investor/Advisor > Ecosystem Evangelist).

3 Komponenten bilden den Kern eines Startup Hubs: People/Talents, Infrastructure, Culture. Entlang dieses Kerns bilden sich andere, wichtige Komponenten wie Kapital, Regierungsunterstützung, Regelungen etc.

Berlin ist ein talent-getriebener Hub. Im Vergleich dazu kann der Startup Hub in Boston durch den starken Einfluss der Universität MIT als Institution-getriebener Hub bezeichnet werden.

Jedes technologiebasierte Ökosystem ist einzigartig. Es wäre ein Fehler, einen aufstrebenden Hub wie Berlin mit dem Silicon Valley in jeder Dimension zu vergleichen. Jenes Tech-Mekka ist in seiner Gesamt- und Komplexheit so einzigartig, dass selbst das Silicon Valley sich nicht kopieren könnte. Prof. Dr. Daniel Isenberg, Management Practice, Babson College und Initiator des Babson Entrepreneurship Ecosystem Project – BEEP – meint dazu:

“Silicon Valley is the result of a very particular set of circumstances that occurred 20, 30 years ago, 40 years ago that are very difficult to replicate. I don’t think Silicon Valley could replicate it even if it wanted to today”.

Auch erfahrene Investoren schlagen
in die gleiche Kerbe. Paul Singh, Partner von 500Startups – einen amerikanischen Hybrid aus Accelerator und Wagniskapitalgeber, sagt:

“Silicon Valley is not something that was created overnight; it was probably 50 years in the making. So with each generation, the ecosystem just gets stronger. I would assume therefore that it might take another 40 years for Berlin or other places in Germany to have a vibrant tech community. It’s not something that just happens from one day to the next”

Die Startup Revolution ist unaufhaltsam.

Vom Zustand des weltweiten Unternehmertums kann ein sehr positives Bild gezeichnet werden. Während das Silicon Valley mit Abstand der stärkste Hub ist, erscheinen nun Hubs auf der weltweiten Unternehmerlandkarte, die noch vor 5 oder 10 Jahren kaum oder gar nicht existierten.

Berlin als Startup Hub schafft es zunehmend, seine Stärken herauszuarbeiten und zu schärfen. Wichtige Dimensionen des leichten Zugangs zu Wachstumskapital müssen genauso geben sein, wie ein permanenter Zugang zuTalenten und die Umsetzung von einzigartigen, risikoreichen Ideen.

Denn nur wo das Risiko auf mehreren Schultern verteilt wird, entstehen einzigartige Voraussetzungen für die Entstehung eines Googles oder Facebooks.

—Über den Autor: Danny möchte Studenten & Absolventen durch Startup Geist helfen, ihre unternehmerischen Träume zu entdecken und diese fokussiert, produktiv und achtsam zu realisieren. Entdecke auch du deinen StartupGeist und hole dir eines von Danny’s 5 eBooks.

Ressourcen: Startups Berlin